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Wie eine Kerosinsteuer das Fliegen verteuert und Klima rettet

03.07.19 | 06:41 Min. | Verfügbar bis 03.07.2020

Fliegen ist durch den hohen Kohlendioxidausstoß keine umweltfreundliche Art des Reisens. Von Parteien und Verbänden wurde jetzt gefordert, eine Kerosinsteuer einzuführen. Sind die Deutschen bereit, diesen Mehrbetrag zu zahlen?

– Flugreisen verursachen einen hohen CO2-Ausstoß
– Fluggastzahlen nehmen zu
– Fliegen ist im Vergleich zu Bahn und Auto die klimaschädlichste Art des Reisens
– Luftfahrtunternehmen sprechen sich gegen Kerosinsteuer aus
– CO2-Ausstoß durch "Intelligentes Fliegen" reduzierbar
– Bundesregierung will Vorschläge für eine Aufhebung der Steuerbefreiung von Kerosin prüfen

Fliegen ist durch den hohen Kohlendioxidausstoß die am wenigsten umweltfreundliche Art des Reisens. Von Parteien und Verbänden wurde in den vergangenen Wochen gefordert, eine Kerosinsteuer einzuführen.

Kommt die Kerosinsteuer, wird das Fliegen in den Urlaub künftig teurer. Plusminus war am Flughafen Frankfurt unterwegs und hat errechnet, wieviel mehr Flüggäste durch die Kerosinsteuer für ihre Reisen zahlen müssten.

Für Ehepaar Schank mit Enkel verteuert sich Hin- und Rückflug nach Rhodos durch die Kerosinsteuer um 133 Euro. Für einen Kurztrip nach Kopenhagen müsste Jana Kröger 24,21 Euro extra bezahlen. Familie Fetsch fliegt nach Mallorca - mit Mehrkosten von 116 Euro, mit denen sie im Fall der Kerosinsteuer rechnen müsste.

Autofahrer zahlen Steuer auf Benzin – Fluggäste bisher nicht auf Kerosin

Autofahrer zahlen an der Tankstelle mit 65 Cent für den Liter Benzin schon lange eine Steuer. Fluggäste zahlen bisher nichts. Jetzt fordern immer mehr Länder in Europa und sogar Unionspolitiker die Einführung einer Kerosinsteuer, die nach deren Vorschlag 33 Cent pro Liter betragen soll.

Eine Steuer für das Fliegen fordert das Umweltbundesamt schon lange. Abteilungsleiter Martin Schmied hat eine aktuelle Untersuchung im Auftrag der Europäischen Kommission auf seiner Seite. Durch die Kerosinsteuer könnte laut der Studie zehn Prozent an Treibhausgasen eingespart werden. Im Vergleich ist das Auto umweltfreundlich

Fliegen ist die klimaschädlichste Art des Reisens

Wer mit der Bahn fährt, stößt nur 36 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Das Auto pustet schon 139 Gramm CO2 in die Luft. Beim Fliegen sind es umgerechnet 201 Gramm.

Warum umgerechnet?

Dazu reist Plusminus – mit der Bahn – in die Schweiz. An der renommierten ETH Zürich erforscht Professor Reto Knutti den Klimawand. Als Mitglied des Weltklimarats kann er ganz einfach erklären, warum Fliegen so schädlich ist. „Zusätzlich zum CO2 Ausstoß, der das Klima beeinflusst, gibt es noch einen großen Ausstoß an anderen Schadstoffen und Auswirkungen auf Kondensstreifen und Wolken. Damit ist die Tonne CO2 für das fliegen etwa doppelt so schlimm, wie eine Tonne CO2 am Boden – wie es zum Beispiel von einem Fahrzeug verursacht wird.“

Im Vergleich ist das Auto umweltfreundlich

Übersicht zu CO2-Ausstoß der unterschiedlichen Verkehrsmittel | Bild: Das Erste

Wer nach Mallorca fliegt, verursacht genauso viel Treibhausgas, wie 3.300 Kilometer mit dem Auto. Für das ägyptische Hughada könnte man mehr als 10.000 Kilometer mit dem Pkw fahren. Für New York schon über 21.000 Kilometer. Für eine Reise nach Sidney mit 68.500 Kilometern fährt der deutsche Autofahrer durchschnittlich knapp fünf Jahre.

Luftfahrtunternehmen lehnen Kerosinsteuer ab

Bei solchen Fernzielen ist die Kerosinsteuer kaum möglich. Internationale Abkommen verhindern eine Besteuerung. Innerhalb Europas wäre die Einführung viel einfacher. Das Luftfahrtunternehmen Lufthansa will natürlich keine europäische Steuer – und schon gar keine nationale. Für Lufthansa-Sprecher Martin Leutke ist das keine Lösung – im Gegenteil. Nach seiner Meinung würden die Passagiere dann andere Wege fliegen: „Mit Fluggesellschaften, die diese Steuer nicht zu bezahlen haben. Damit würde der Verkehr nur verlagert, in andere Regionen, aber nicht reduziert.“

Das Finanzministerium erklärt auf Anfrage vom Plusminus in einer Stellungnahme schriftlich: „Die Vorschläge für eine Aufhebung der Steuerbefreiung von Kerosin werden von der Bundesregierung zurzeit geprüft.“

Fluggastzahl und Flugverkehr nimmt zu

Dabei ist das Kernproblem seit Jahrzehnten dasselbe: Fliegen boomt.

Hohes Wachstum bei der Fluggastzahl | Bild: Das Erste

In Deutschland gab es im Jahr 1990 rund 66 Millionen Flugpassagiere. Im vergangenen Jahr 2018 dann 222 Millionen Fluggäste – eine Steigerung von jährlich 4,4 Prozent. Noch drastischer ist der globale Trend: Eine Milliarde Fluggäste waren es im Jahr 1990. Inzwischen fliegen rund 4,3 Milliarden Menschen pro Jahr. Eine Zunahme von 5,3 Prozent - und das jährlich.

Klima-Forscher Professor Reto Knutti warnt:„ Man geht davon aus, dass sich das auch weiterhin so entwickeln wird, wenn wir nicht massiv gegensteuern. Die technischen Entwicklungen werden nie ausreichen, um das zu kompensieren.“

Weniger CO2 durch "Intelligentes Fliegen"

Neben einer Kerosinsteuer kann noch ein ganz anderes Instrument helfen: Intelligenter Fliegen. Denn die Flugsicherung in Europa ist ein Flickenteppich. Mehr Verbrauch durch Umwege ist die Folge.

Bei einem Lufthansa-Flug von Frankfurt nach Venedig wurde statt der Route wie von der Lufthansa gewünscht – ein Umweg von 60 Kilometern geflogen und damit sechs Prozent mehr CO2 verursacht. Bei einem anderen Lufthansa-Flug, von Frankfurt nach Manchester, wurden sogar 13 Prozent mehr CO2 in die Luft gestoßen.

Lufthansa-Sprecher Martin Leutke, erklärt: „Der europäische Luftraum ist nicht vereinheitlicht. Wir haben kein Schengen in der Luft, sondern wir müssen manchmal Umwege fliegen, obwohl wir das eigentlich gar nicht wollen. (…) Würden wir das nicht tun, könnten wir CO2 bis zu zehn Prozent im Jahr einsparen“.

Plötzlich gibt es beim Thema intelligenter Fliegen eine neue Allianz aus Umweltbundesamt und der Luftfahrtbranche. So bekräftigt Martin Schmied vom Umweltbundesamt: „Das nützt der Umwelt und dem Klima, es kostet weniger und es ist gut für die Kunden. Damit haben wir eine Win-Win-Win Situation – für alle eigentlich etwas Positives.

Seit vielen Jahren gibt es kaum Verbesserungen

Das Dauerproblem ist im Verkehrsministerium bekannt. Auf Plusminus-Anfrage heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme: „Die Bundesregierung beabsichtigt, das Thema während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft (in der zweiten Jahreshälfte 2020) voranzutreiben.“

Für den Klimaschutz muss aber möglichst schnell etwas passieren. Am besten gleich beides: Intelligenter Fliegen und die Einführung einer Kerosinsteuer.

„Eine Kerosinsteuer hat sicher zufolge, dass sich die Leute überlegen, was sie mit dem Fliegen anrichten. Aber es ist auch ein bisschen gefährlich, dass man dann das Gefühl hat, man habe jetzt für seine Sünde bezahlt. Aber der Flug ist ja trotzdem da – und der Schaden ist trotzdem angerichtet. Eine Verhaltensänderung muss dann zusätzlich zu der Steuer auch noch kommen“, meint Klima-Forscher Reto Knutti.

Am meisten hilft dem Klima der Flug, der gar nicht erst abhebt.

Ein Beitrag von Steffen Clement Bearbeitung: Jan Arnold

Stand: 03.07.2019 16:27 Uhr Im Vergleich ist das Auto umweltfreundlich

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